Was Kampfkunst und Bedarfsorientierung gemein haben
Was Kampfkunst und Bedarfsorientierung gemein haben
„Wir arbeiten bedarfsorientiert“. Ein vielgebrauchter Satz, der aus dem weiten Feld der sozialen Arbeit nicht mehr wegzudenken ist, und der in seiner Praxis doch sehr unterschiedlich umgesetzt wird.
Bedarf. Ein Begriff, der eigentlich der Wirtschaft zugeordnet wird und der hinweist auf einen Mangel, aus dem ein heraus eine Nachfrage entsteht. Auf ein Verlangen, einen Wunsch, ein Bedürfnis, Bedürfnisse die daraus entstehen. Bedarf kann auf Notwendigkeiten hinweisen oder „je nach Bedarf“ aufzeigen wann man etwas wie braucht.
Die Arten und Weisen wie Bedarfe ermittelt werden sind vielfältig. Im STREET COLLEGE fragen wir die Studierenden einfach, wir hören ihnen zu, wir ermöglichen ihnen ihre Bedarfe zu äußern und suchen diese, gemeinsam mit ihnen, zu verwirklichen.
Das bedeutet, dass die Kurse, die im SC entstehen, ausschließlich dem (geäußerten) Bedarf der Lernenden erwachsen. Sie bestimmen auch innerhalb der Kurse WAS, WANN und WIE sie lernen wollen – was den Bildungsprozess per se als prozesshaft, künstlerisch-experimentell und ergebnisoffen definiert.
So ist zum Beispiel an einem Wochenende im August ein Stunt-Workshop entstanden. Der Bedarf hatte sich innerhalb des Schauspielkurses entwickelt. Körperbeherrschung, körperlicher Ausdruck, Kampfszenen spielen können.
Entsteht ein solcher Bedarf, so wird dieser veröffentlicht, das heißt, „wir erzählen es rum“, wir posten ihn auf Facebook um so anderen Interessierten die Möglichkeit zu geben teilzuhaben oder sie gar auf ein bisher noch nicht benanntes Interesse aufmerksam zu machen. Ein paar Tänzer*innen aus einem internationalen Projekt kamen hinzu. Eine Dozentin eines anderen Kurses kam hinzu. Jede*r bringt die eigene Expertise mit ein.
Hier verwirklicht sich auch die dialogische Weiterentwicklung der Bildung, oder wie Paolo Freire schrieb: die Schüler-Lehrer-Beziehung, die den Dialog als Grundelement von Bildungsprozessen begreift. Die Lernenden bringen ihr Wissen und ihre Kultur als Ressource mit in den Bildungsprozess ein. Das Lehren wird nicht (mehr) als das „Füllen von leeren Gefäßen“ betrachtet. Oder schlicht: Lernen auf Augenhöhe.
Aus diesen Bedarfsäußerungen sind alle Kurse entstanden die es am SC gibt oder gab. Ganz gleich ob es nun den mittlerweile sehr großen Bereich der Musik mit elektronischer Musikproduktion, Gesang und dem Audio-Engineer-Diplomkurs, den weiten Bereich Design oder das Lernlabor meint. Es fanden Kurse in Gebärdensprache und Koreanisch statt. Die Studierenden lernen Suaheli, widmen sich dem Schauspiel und dem urban gardening.
Ob diese Bedarfe nun dem Wunsch nach einer beruflichen Perspektive entspringen, dem Willen nach künstlerischem Selbstausdruck oder einem schlichten Interesse für ein Thema ist uns egal. „Egal“ im Sinne von „gleichwertig“.
Der Stunt-Workshop hat Spaß gemacht. Interesse an dem Thema Kampfkunst geweckt. Aktuell überlegen die Studierenden in welcher Form sie sich zukünftig mit dem Thema beschäftigen wollen. WANN, WIE und MIT WEM.
Im Zentrum steht der Bedarf der Lernenden.